Wirecard: der Skandal, die Konsequenzen
Wirbel um Finanzbetrug. Wie steht es um den Schaden für die Gesellschaft? Ein Vergleich.
2018 wurde Wirecard Teil des Deutschen Aktien Index (Dax) und galt damit als eines der dreißig wichtigsten Unternehmen in Deutschland. Das Geschäftsmodell von Wirecard waren digitale Bezahldienste. Für eine kurze Weile schien Wirecard das einzige europäische Unternehmen zu sein, das sich anschickte in einer Liga mit den amerikanischen Tech-Firmen zu spielen. Heute wissen wir es besser:
„Nach bisherigem Stand der Ermittlungen machte Wirecard jahrelang Verluste. Die Münchner Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass das Unternehmen seit 2015 Scheingewinne auswies. Mehr als drei Milliarden Euro könnten verloren sein. In dem Fall stehen auch die Finanzaufsicht Bafin und eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in der Kritik, denen der Betrug nicht auffiel.“ (faz, dpa, 8.10.2020)
Als politische Konsequenz schlägt die Bundes-Regierung nun einen Aktionsplan vor: „Wirtschaftsprüfer sollen künftig nicht nur bei vorsätzlichem Betrug, sondern auch bei grober Fahrlässigkeit haften. Wer Bilanzen von Unternehmen prüft, soll diese nicht mehr gleichzeitig beraten dürfen. Staatliche Kontrolleure der Finanzaufsicht Bafin sollen striktere Durchgriffsrechte bekommen, Aufsichtsräte börsennotierter Unternehmen mehr Informationen, Anleger und Verbraucher mehr Rechte.“ (Süddeutsche Zeitung vom 8.10.2020)
Gleichzeitig nimmt nun auch ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss seine Arbeit auf, der die Rolle der einzelnen Akteure einschließlich die von Politiker:innen beleuchten soll. Denn während die Financial Times der deutschen Tech-Erfolgsgeschichte schon seit einigen Jahren misstraute und immer wieder über mögliche Fehler in den Bilanzen schrieb, verteidigte die deutsche Bafin aber auch die deutsche Regierung Wirecard – und wiegte so die Anleger:innen in Sicherheit.
(Mehr zu dem Angriffs-und-Verteidigungsduell zwischen der Financial-Times und deutschen Institutionen: Wirecard: the timeline und „Das wahre Ende der Deutschland-AG“ vom Redaktionsnetzwerk Deutschland.)
Eine entdramatisierende Haltung zu dem Skandal nimmt ausgerechnet die vielfach als „links“ geltende tageszeitung/taz, ein. Unter der Überschrift „Betrug braucht gute Stories“ wird argumentiert, dass der Wirecard-Skandal im Vergleich zu anderen Finanz-Skandalen überschätzt würde. Bilanzbetrug sei relativ selten. Irgendwann fliege die Sache auf, die Aktionär:innen verlören ihr Geld, die Betrüger würden strafrechtlich belangt. Der Schaden sei überschaubar und die Rechtsordnung wäre durch Strafe wiederhergestellt. Gefährlicher würde es, „wenn alle Banken gleichzeitig auf den gleichen Unsinn wetten.“
Viel schlimmer als der Wirecardbetrug, dessen Schaden auf die Anleger:innen und einige Geschäftspartner:innen beschränkt bliebe, seien Skandale, die die Gesellschaft als solche schädigten. Wie die Finanzkrise 2008, als der ganze Finanzsektor Casino spielte und eine globale Wirtschaftskrise auslöste. Trotz der riesigen Dimension seien Banker so gut wie nicht bestraft und wären vor allem die Regeln für den Finanzsektor nicht ernsthaft verändert worden, um eine Wiederholung zu verhindern. Auch die Cum-Ex-Betrugsfälle oder Steuerhinterziehung schädigten die Gesellschaft viel stärker als der Wirecard-Betrug – zögen aber weniger Aufmerksamkeit auf sich und hätten weniger Konsequenzen.
Aus dem Skandal könne man lernen: Whistleblower zu honorieren, die Kompetenzen der Bafin auszuweiten und die Fahnder gezielt einzusetzen. „Nicht Bilanzfälschung ist das größte Problem, sondern Steuerbetrug.“
Foto: Markus Fiedler auf unsplash.com